Von Dörthe Jung
Die Teilnehmerinnen sitzen in einer Runde, es ist laut, viel wird geredet und gelacht, die Stimmung ist erwartungsvoll, denn der Workshop von IMAGINE beginnt. Die jungen Frauen sollen sich vorstellen. Am Ende dieser Vorstellungsrunde sind wir, das Team, ziemlich baff. Das sind wir angesichts der Biografien, der schweren Erfahrungen von Flucht und Heimatverlust, die die Mädchen trotz ihres jungen Alters erlebt haben und ihrer relativ guten deutschen Sprachkompetenz, obwohl viele erst vor kurzer Zeit nach Deutschland eingewandert sind. In dem fünftägigen Workshop geht es um die Zukunftswünsche der Teilnehmerinnen, die sie mit Unterstützung medienpädagogischer Begleitung in selbst produzierten Videos zum Abschluss dann meistens mit viel Stolz präsentieren können.
Die Mehrheit der Teilnehmerinnen besucht aufgrund ihrer Migrations- und Fluchtbiografien die Integrationsklassen, so sind die Kurse von IMAGINE eher heterogen und interkulturell zusammengesetzt. Die Mädchen und jungen Frauen kommen aus der ganzen Welt, etwa aus Ghana, Bangladesch, dem Iran, Pakistan, Syrien, dem West Balkan, Marokko und Ägypten.
Angesichts dieser differenten Zusammensetzung entwickelt sich im Workshop relativ schnell eine lockere Arbeitsatmosphäre. Hierfür spielen die interkulturellen Kompetenzen der meisten Mädchen eine große Rolle. Wie Dompteusen bewegen sie sich in dem anfänglichen Sprachgewirr, zwischen den ihnen teilweise noch fremden anderen jungen Frauen, den neuen technischen Herausforderungen wie der Handhabung des professionellen Equipments, der Kamera und der Einübung in verschiedene filmische Gestaltungsmittel. Aufgrund ihrer Bereitschaft, schnell neue Freundschaften zu schließen, sind die meisten der zu bildenden Produktionsteams divers zusammengesetzt. Hier können sie gemeinsam ihre Filmidee entwickeln und ein Video produzieren.
Die Entwicklung und Herstellung ihrer Videos eröffnen den an IMAGINE teilnehmenden Mädchen und jungen Frauen den kreativen Raum, sich neu auszuprobieren, zu verwandeln, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, sich spielerisch in andere Personen und Geschlechter zu imaginieren. Angesichts der großen Rolle, die der Umgang mit Social Media für sie in ihrem Alltag spielt, erhalten sie durch IMAGINE auch die Möglichkeit, sich kritisch mit den dort häufig angebotenen Rollenklischees auseinanderzusetzen. Zum Abschluss wird in den fertiggestellten Videos deutlich, wie die Mädchen und jungen Frauen auf der Basis ihrer neu erworbenen Medienkompetenzen ihre Zukunftswünsche, ihre Alltagskonflikte und ihre Phantasien in verschiedener und kreativer Weise zusammenbringen und verarbeiten können.
Artikel für die Zeitschrift GRIP, Ausgabe 65, Filmhaus Frankfurt e.V.